Strecken, für die andere das Auto, den Zug oder gar das Flugzeug nehmen, bewältigen sie mit dem Fahrrad: Die Rede ist von von den Benefiz-Radlern Wittlich. Alle drei Jahre greifen sich einige Dutzend Vereinsmitglieder ihr Velo – und dann geht's auf große Fahrt. München (zweimal), Hamburg, Dresden und Freiburg waren bereits Zielorte, kürzlich war Bamberg an der Reihe.
Von der Säubrennerstadt wurde in sechs Etappentagen nach Bayern geradelt, immer an Flüssen entlang und fast auschließlich auf Radwegen - die Mosel runter bis Koblenz, den Rhein rauf bis Mainz, und schließlich den Main entlang über Miltenberg, Würzburg und Schweinfurt bis in die fränkische Bilderbuchstadt Bamberg. Am Autohaus Raiffeisen wurden die Benefiz-Radler von Wittlichs Stadtbürgermeister Joachim Rodenkirch und VG-Bürgermeister Manuel Follmann verabschiedet, Pfarrer Matthias Veit spendete den kirchlichen Segen.
Im Vordergrund stand für die 50 Radler und das Quintett vom Serviceteam aber nicht nur, 650 Fahrkilometer in reizvoller Landschaft gesund und unfallfrei hinter sich zu bringen. Wie der Vereinsname schon sagt, treten die Benefiz-Radler für den guten Zweck in die Pedale. Der Vorstand um den Vorsitzenden Eddy Linden und den 2. Vorsitzenden Stefan Nehren wird schon weit im Vorfeld aktiv, fährt die Strecke komplett ab und schreibt die auf dem Weg liegenden Stadtverwaltungen an, ob sie bereit sind, die Radler zu empfangen und eine Spende locker zu machen. In 14 Jahren hat der Verein mehr als 450 000 Euro für wohltätige Zwecke gesammelt, diesmal kamen 17 000 Euro hinzu (siehe Extra). Initiator Eddy Linden: „Meine Familie und ich stehen auf der Sonnenseite des Lebens. Mein Antrieb ist es, anderen zu helfen, die nicht so viel Glück haben.“
Vor dem historischen Deutschhaus, dem Sitz des rheinland-pfälzischen Landtags, empfing der Landtagsabgeordnete Dennis Junk (Salmtal) die Radler und bedachte Eddys Spendenbox mit einem Obolus. Anschließend ging es mit den Velos zur Großen Bleiche, dem Rathaus der Stadt Mainz. Dort ließ es sich Oberbürgermeister Michael Ebling nicht nehmen, die Gruppe auf dem Vorplatz persönlich willkommen zu heißen und für ihren caritativen Einsatz zu loben. Den Scheck über 1000 Euro nahmen die Radler dankbar entgegen. Eine Lokalzeitung und ein Radiosender brachten sogar ein Interview des 2. Vorsitzenden über den Werdegang des Vereins.
Weitere Empfänge gab es in Miltenberg und in Bamberg. Der Miltenberger Bürgermeister sagte, mit Mainz könne er leider nicht mithalten (Biontech hat die dortige Haushaltskasse gut gefüllt), aber auch er spendete und outete sich als begeisterter Radfahrer: „Ich bin heute Morgen schon 33 Kilometer gefahren.“
Der Bamberger OB empfing die Benefiz-Radler im Alten Rathaus, einem der vielen Wahrzeichen der 78000-Einwohner-Stadt. Der prunkvolle Bau, der bereits im 14. Jahrhundert Erwähnung fand, befindet sich am linken Regnitzarm auf einer Insel. Bamberg werde wegen seiner vielen malerischen Brücken nicht nur als „Venedig des Nordens“ bezeichnet, sagte der OB, sondern aufgrund seiner 13 Privatbrauereien auch als Deutschlands größte Bierstadt. Ein Hinweis, der von den Gästen dankbar aufgenommen wurde. Schließlich müssen Ausdauersportler ja ihren Flüssigkeitshaushalt im Blick behalten – zumal das Thermometer an den letzten Fahrtagen auf 35 Grad kletterte.
Apropos Verpflegung: Das Serviceteam leistete ganze Arbeit. Etwa alle 50 Kilometer (die weiteste Etappe betrug rund 146 Kilometer) steuerten die Radler einen Rastplatz an, meist Park- oder Campingplätze in Flussnähe. Dort konnten die verbrannten Kalorien schnell kompensiert werden mit belegten Brötchen, Würsten, Frikadellen, trockenem Kuchen, Obst und Riegeln. Die Wasserflaschen wurden natürlich auch gefüllt, damit man für die nächste Teiletappe gewappnet war. Die Verpflegung, größtenteils von Firmen aus Wittlich und Umgebung gespendet, wurde in einem Fahrzeug transportiert, ein weiteres war als Pannenfahrzeug unterwegs und im dritten wurden die Koffer von Unterkunft zu Unterkunft transportiert. Platte Reifen waren dieses Mal relativ wenige zu flicken, allerdings gab es zwei Teilnehmer, die Sturzverletzungen erlitten.
Ältester Teilnehmer war ein 81-Jähriger, der noch nicht lange vom Rennrad auf ein E-Bike umgesattelt hat (!), der jüngste Benefizler war 28 Jahre jung. Meist werden Tourenräder, Rennräder oder Gravelbikes gefahren. Geradelt wurde (vom Gros) mit einem Kilometerschnitt zwischen 20 und 22 Stundenkilometern. Wenn es durch Städte ging oder man sich Etappenzielen näherte, wurde auf die letzten Radler (oder diejenigen, die Fotomotive am Streckenrand entdeckt haben) gewartet. Im geschlossenen Verband ging es dann unter Führung von Stefan Nehren in den Ort, Eddy Linden mit seinem Benefiz-Radler-Fähnchen am Heck bildete den Schluss.
Die beiden Erholungstage im schönen Bamberg hatten sich die Benefiz-Radler redlich verdient. Sonntagsmorgens ging es dann mit dem großen Reisebus zurück nach Wittlich, die Räder wurden sicher in einem Spezialanhänger transportiert. In drei Jahren geht es wieder auf große Fahrt, das vernahmen alle mit Freude. Das Ziel ist noch offen, neue Mitfahrer sind willkommen.
Kontakt: 1. Vorsitzender Eddy Linden, Telefon 0175/9653629, www.benefiz-radler.de
Extra: Benefiz-Radler e.V.
Die Anfänge liegen 2007 in einer Radtour für Ruanda. Finanziert wurde die Wasserversorgung im Kinderdorf Gahanga, 2008 erfolgte die Gründung des gemeinnützigen Vereins. Radtouren, Wanderungen, Info-Stände, Fußballturniere und vieles mehr steht seitdem auf dem Programm. Bis 2021 wurden 435 000 Euro an Hilfsbedürftige verteilt. Unterstützt werden meist kleinere Projekte, die sonst nur eine minimale Chance auf Förderung haben. Die Spendensumme von knapp 17 000 Euro aus diesem Jahr kommt den Hospizen Morbach und Wittlich, dem Kinderschutzbund Bernkastel-Wittlich, Annas Verein, der Nestwärme, der Villa Kunterbunt, dem Brüderkrankenhaus Trier und den Tafeln in Wittlich, Bitburg und Bamberg zugute.